Montag, 13. August 2007

Virtuoso Machine Dance



Vor fast zehn Jahren sah ich sie in Tokyo zum ersten Mal. Mittlerweile stehen einige davon auch in Hamburg, Köln oder Nürnberg: Tanzautomaten.

In einem Game Center in Shinjuku standen eine ganze Reihe solcher Automaten - alle besetzt: Schüler und junge Angestellte (interessanterweise kein einziges Mädchen) ließen ihre Füße in einem zum Teil atemberaubenden Tempo über vier Pfeile fliegen, die im Rhythmus der kaum hörbaren, vom ohrenbetäubenden Krach absorbierten Musik aufleuchteten.

Die Geschicklichkeit der Tänzer war so erstaunlich, dass ich lange Zeit fasziniert zuschaute (und mir ein bisschen wie ein Voyeur vorkam, denn der Kreislauf aus Mensch und Maschine schien für sich vollständig, Zuschauer nicht vorgesehen). Einigen sah man noch an, dass sie einem Programmablauf folgten, den Lichtern hinterher hetzten, die Pfeile nur so eben ("good" oder "great") trafen. Andere jedoch schienen sich genau auf der Höhe der Choreographie zu befinden und dort über ihren wirbelnden Beinen gleichsam zu schweben. Sie trafen "perfect". Sie fassten die Geländerstange hinter ihrem Rücken, nicht um sich festzuhalten, sondern wie um die Ruhe und Gleichgüligkeit ihrer oberen Körperhälfte zu demonstrieren. Sie erinnerten an Stierkämpfer.





Die Frage, die sich stellt, ist: Gibt es Virtuosität im Umgang mit Maschinen?

Das Problem liegt nicht unbdingt in einem »Mangel an Originalität«. Virtuosität ist eine Eigenschaft von ausführenden Künsten (oder allgemein Tätigkeiten). Ein Geigen- oder Klaviervirtuose etwa tut zunächst auch nichts anderes, als eine Komposition nachzuspielen. Seine Virtuosität zeigt sich allerdings erst dort, wo er sich in der Ausführung gewisse Freiheiten herausnimmt: Freiheiten im Verhältnis zum Notentext und Freiheiten im Umgang mit seinem Instrument. Der virtuose Instrumentalist ist nicht der Sklave seines Instrumentes - auch nicht dadurch, dass er versucht, sich zu dessen Herren zu machen, wie es der gewöhnliche Lernende tut. Virtuose Souveränität erhebt sich auf gewisse Weise diesseits der Dialektik von Herr und Knecht.

Gibt es also im Verhältnis von Tänzer und Maschine einen Moment, wo der Tanzende aufhört, gegen den Apparat zu kämpfen, die programmierten Anweisungen bloß durch eine Art vorauseilenden Gehorsam zu überbieten? Gibt es einen Moment, wo die Maschine zu seinem Instrument wird, wo sie sich als Programm zurückzieht und die Szene für eine Performance frei gibt, die es dem Performer gestattet, sie mit sich selbst zu erfüllen?

Mir scheint, es gibt bei den Besten dieser Disziplin zumindest einen Augenblick, wo das Verhältnis von Mensch und Maschine eine Gleichheit, einen Zustand der perfekten Balance erreicht. In diesem Augenblick ist unentscheidbar, wer wem dient, wer um wessen willen existiert. Es ist unentscheidbar, und es ist egal.

Die Souveränität des Tänzers in einem solchen Augenblick offenbart sich weniger in der großen präsentierenden Geste eines Jongleurs, die sagt: »Ha, seht, ich kann es!« Sie kommt eher in einer Gleichgültigkeit zum Vorschein. Einer durchaus hingebungsvollen Gleichgültigkeit, die nichtsdestominder eine Überlegenheit des Performers über das, was er tut, demonstriert. Und enthält diese Gleichgültigkeit im Inneren der Exzellenz nicht den Keim einer Freiheit?

Vielleicht handelt es sich dabei um eine japanischen Variante von Virtuosität (oder um ein Resultat meiner Lust, Differenzen auf etwas namens »Japan« zu projizieren). Es wäre interessant zu verfolgen, wie sich der Maschinentanz, der mittlerweile in Deutschland offiziell als Sport anerkannt ist, hierzulande entwickelt.

Das kann man unter anderem hier an ein paar Videos überprüfen. Mehr Informationen (u.a. über die Aufstellungsorte der Automaten) und Material gibt es außerdem auf der Seite des deutschen Maschinentanz-Clubs Vier Pfeile.

***

Es gibt übrigens auch andere Versionen dieser Maschinen - zum Beispiel diese eigenartige Verbindung aus Klavier, Schlagzeug und Killerspiel:




...und so sieht es aus, wenn man nicht virtuos ist:

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