Virtuose Langeweile?
Steigerungsformen von Langeweile:
1. Gepflegte Langeweile
Kultivierte Form von Langeweile, die sich im Einklang mit der allgemeinen Organisation von Tätigkeiten und der Zirkulation von Interessen in einer Gesellschaft befindet. Findet an einem Ort statt, der zumeist eigens für das Nichts- oder Wenigtun eingerichtet wurde - z.B. in einem Café, auf einer Parkbank, auf dem Balkon oder in einem Sessel, wo man auch lesen könnte. Lesen gehört überhaupt zu den populärsten Techniken, um Langeweile zu pflegen: man kann wunderbar lesen und sich langweilen zugleich, während es anstrengt, sich beim Musikhören oder Anschauen eines Films zu langweilen. Selbst im Theater, wo es oft langweilig ist, wollen das Sich-Langweilen und die Wahrnehmung dessen, was auf der Bühne geschieht, in der Regel keine entspannte Gleichzeitigkeit finden. Langeweile im Theater ist daher zumeist ungepflegt.
Näheres zur gepflegten Langeweile hier.
2. Tödliche Langeweile
Negativ gesteigerte, sich ab einem gewissen Punkt fast unumkehrbar selbst verstärkende Langeweile. Gefühl von Schwere, Leere und Sinnlosigkeit. Stellt sich ein angesichts des völligen Ausbleibens von Erregung durch Ereignisse - infolge zu großer Erwartungen (tödliche Langeweile des Pubertierenden) oder weil wirklich gar nichts passiert (tödliche Langeweile des vereinsamten Rentners). Stellt sich auch ein bei einer andauernden, ununterbrochenen Folge gleicher Ereignisse, wie extrem diese auch seien. Die Situation im Irak z.B. ist tödlich langweilig, vermutlich selbst für die Iraker.
Näheres dazu hier
3. Virtuose Langeweile
Nicht einfach vorzustellen, da Langeweile sehr fest mit (wohliger oder deprimierender) Schwere assoziiert ist, Virtuosität hingegen ebenso fest an Leichtigkeit geknüpft scheint.
Also zwei Möglichkeiten:
a) Eine Langeweile, die leicht wird. Und dies nicht zufällig, sondern weil man auf technisch versierte Weise damit umgeht (Virtuosität hat ja eigentlich immer mit Technik zu tun). Ich erinnere mich an den Moment, in dem ich anfing, dieses Blog einzurichten. Es war ein Zustand gepflegter Langeweile - Sonne, sonntägliche Trägheit, guter Kaffee, das Macbook auf meinem Schoß. Nachdem ich den Gedanken, ernsthaft zu arbeiten, aufgegeben hatte, den, zur Zerstreuung im Netz zu surfen, ebenso, entstand ein Schwebezustand, der mir das Gefühl gab, gleichermaßen alles wie nichts tun zu können. Dann meldete ich das Blog an, meisterte ein paar kleinere Schwierigkeiten, ohne dass die Langeweile dadurch aufhörte. Sie fing eher an...zu schwingen (oder so).
b) Eine Virtuosität des Schweren. Wer weniger erschöpft ist als ich nach dem Schreiben von Abschnitt a), möge diesen Gedanken bitte entwickeln.
Ach, ja - zwei Dinge, die laut Internet virtuos langweilig sind:
Sting
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allesfliesst - 11. Jul, 18:01
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