Unterirdisch virtuose Performance
Oder: Was macht die Virtuosität eines Virtuosen aus?
Joshua Bell würden die meisten, die mit Klassik vertraut sind, als Virtuosen betrachten. Es wäre keine Frage, hätte man die Möglichkeit, einem seiner Konzerte beiwohnen zu können, man würde es irgendwie möglich machen. Viele würden dafür nicht einmal gerade wenig Geld für ein solches Erlebnis hinlegen. Sie tun das, weil sie von ihm eine Darbietung erwarten, die andere Künstler in der Form nicht zu leisten im Stande wären. Doch gerade auch der Rahmen, in dem das Event präsentiert wird, trägt entscheidend dazu bei, den Leuten die Virtuosität des Geigers erst, ja, greifbar oder vielleicht auch nur greifbarer zu machen.
So führte die Washington Post mit Joshua Bell als Protagonisten unlängst ein krudes Experiment durch: Der weltbekannte Musiker sollte zu der Zeit, als er in der Symphony Hall von Boston, wie so oft in der Welt, das Haus füllte, auch einmal für gewisse Zeit im unscheinbaren Getümmel eines U-Bahn-Zugangs das Milieu der Straßenmusiker intrudieren. Die Ungewissheit über den Ausgang und auch die Neugierde, ob die Virtuosität des Künstlers auch außerhalb ehrwürdiger Hallen auffiele, ließ den vielgefragten Violinisten einwilligen.
So spielte denn Bell für etwa eine dreiviertel Stunde vor in der Zeit etwas über eintausend vorbeieilenden Passanten weniger wohlbekannte, aber deswegen nicht minder schwer zu meisternde Stücke auf seinem für sich genommen schon virtuosen Instrument, einer geschichtsreichen Stradivari. Das im morgendlichen Trott vorbeirauschende Publikum war wohl gewählt und durchaus geeignet, wenigstens ein künstlerisch anspruchsvolles Niveau von mehr oder minder lustlosem Gefiedel unterscheiden zu können, bestand es zumeist aus Regierungsangestellten, die eben dort vermehrt zur Arbeit gingen.
Was nun durch die Wahl der Umstände letztlich bewiesen werden konnte, kann hier wohl nicht genau festgestellt werden. Im allmorgendlichen Stress schon mit hochkarätigen Kompositionen konfrontiert zu werden ist zugegebenermaßen nicht gerade einladend, zudem die Erfahrung die Leute eher lehrt, dass gerade an diesen Stellen keine besonders hochwertigen Interpretationen zu erwarten wären, werden sie dort doch beinahe tagtäglich in einen Soundteppich leichterer Kost gehüllt. Womöglich fiel einigen in den wenigen Sekunden des Vorübergehens die Passage ohne den Kontext sogar als eher abstoßend auf. So hat Joshua Bell an diesem Morgen größtenteils unbeachtet sich selbst ein für die Tätigkeit nicht unüblich hohes Honorar eingespielt.
Nur wie kann den vielen Menschen außerhalb dieser Vorhalle das Potential, die Virtuosität in der entsprechenden Halle auffallen? Der Virtuose bleibt derselbe, unabhängig vom Fleck der Erde auf dem er steht. Es sind wohl auch die Umstände, in denen er seine Leistung im Ohr des Zuhörers reifen lassen kann, es wird eine entsprechende Erwartung hier vorausgesetzt. Es reicht also nicht nur, das bisher an Ort und Stelle gehörte durch eigene Leistung zu übertrumpfen, in gewisser Weise muss auch der gesellschaftliche Grundstock eine Erwartungshaltung vorbereitet haben, um den maximalen Impuls beim Zuhörer hervorrufen zu können.
Abschließend noch der Link zum vollständigen Artikel der Washington Post mit ein wenig besseren Videos als dem YouTube-Abklatsch:
Pearls Before Breakfast (vom 8. April 2007)
Joshua Bell würden die meisten, die mit Klassik vertraut sind, als Virtuosen betrachten. Es wäre keine Frage, hätte man die Möglichkeit, einem seiner Konzerte beiwohnen zu können, man würde es irgendwie möglich machen. Viele würden dafür nicht einmal gerade wenig Geld für ein solches Erlebnis hinlegen. Sie tun das, weil sie von ihm eine Darbietung erwarten, die andere Künstler in der Form nicht zu leisten im Stande wären. Doch gerade auch der Rahmen, in dem das Event präsentiert wird, trägt entscheidend dazu bei, den Leuten die Virtuosität des Geigers erst, ja, greifbar oder vielleicht auch nur greifbarer zu machen.
So führte die Washington Post mit Joshua Bell als Protagonisten unlängst ein krudes Experiment durch: Der weltbekannte Musiker sollte zu der Zeit, als er in der Symphony Hall von Boston, wie so oft in der Welt, das Haus füllte, auch einmal für gewisse Zeit im unscheinbaren Getümmel eines U-Bahn-Zugangs das Milieu der Straßenmusiker intrudieren. Die Ungewissheit über den Ausgang und auch die Neugierde, ob die Virtuosität des Künstlers auch außerhalb ehrwürdiger Hallen auffiele, ließ den vielgefragten Violinisten einwilligen.
So spielte denn Bell für etwa eine dreiviertel Stunde vor in der Zeit etwas über eintausend vorbeieilenden Passanten weniger wohlbekannte, aber deswegen nicht minder schwer zu meisternde Stücke auf seinem für sich genommen schon virtuosen Instrument, einer geschichtsreichen Stradivari. Das im morgendlichen Trott vorbeirauschende Publikum war wohl gewählt und durchaus geeignet, wenigstens ein künstlerisch anspruchsvolles Niveau von mehr oder minder lustlosem Gefiedel unterscheiden zu können, bestand es zumeist aus Regierungsangestellten, die eben dort vermehrt zur Arbeit gingen.
Was nun durch die Wahl der Umstände letztlich bewiesen werden konnte, kann hier wohl nicht genau festgestellt werden. Im allmorgendlichen Stress schon mit hochkarätigen Kompositionen konfrontiert zu werden ist zugegebenermaßen nicht gerade einladend, zudem die Erfahrung die Leute eher lehrt, dass gerade an diesen Stellen keine besonders hochwertigen Interpretationen zu erwarten wären, werden sie dort doch beinahe tagtäglich in einen Soundteppich leichterer Kost gehüllt. Womöglich fiel einigen in den wenigen Sekunden des Vorübergehens die Passage ohne den Kontext sogar als eher abstoßend auf. So hat Joshua Bell an diesem Morgen größtenteils unbeachtet sich selbst ein für die Tätigkeit nicht unüblich hohes Honorar eingespielt.
Nur wie kann den vielen Menschen außerhalb dieser Vorhalle das Potential, die Virtuosität in der entsprechenden Halle auffallen? Der Virtuose bleibt derselbe, unabhängig vom Fleck der Erde auf dem er steht. Es sind wohl auch die Umstände, in denen er seine Leistung im Ohr des Zuhörers reifen lassen kann, es wird eine entsprechende Erwartung hier vorausgesetzt. Es reicht also nicht nur, das bisher an Ort und Stelle gehörte durch eigene Leistung zu übertrumpfen, in gewisser Weise muss auch der gesellschaftliche Grundstock eine Erwartungshaltung vorbereitet haben, um den maximalen Impuls beim Zuhörer hervorrufen zu können.
Abschließend noch der Link zum vollständigen Artikel der Washington Post mit ein wenig besseren Videos als dem YouTube-Abklatsch:
Pearls Before Breakfast (vom 8. April 2007)
MorbusBahlsen - 20. Aug, 20:08
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