Virtuoser vs. wissenschaftlicher Detektiv
Zu den bemerkenswertesten literarischen Figuren des Virtuosen gehört sicherlich der Detektiv — jener Held des klassischen »Whodunit«, der im Unterschied zur schwerfälligen, regulär arbeitenden Polizei Verbrechen mit Leichtigkeit und Eleganz aufklärt und dies auch nur zu tun scheint, um eben diese Leichtigkeit und Eleganz zu demonstrieren.
Edgar Allan Poes Auguste Dupin gilt als Ahnherr dieses Figurentyps (obwohl es ein paar weniger bekannte Vorläufer gibt). Sherlock Holmes ist nach wie vor der berühmteste unter ihnen — und derjenige, den sein Autor am deutlichsten dem musikalischen Virtuosen annähert.
Conan Doyle stattet Holmes neben der Lupe und der Pfeife (dem Instrument des Beobachtens und dem des Denkens) nicht nur mit einer Geige als dem dritten emblematischen Objekt aus. In The Cardboard Box erweist sich Holmes sogar als Fan von Niccolò Paganini:
Im Verlauf des schmackhaften kleinen Mahles sprach Holmes über nichts anderes als über Geigen und erzählte mir mit großer Befriedigung, wie er seine Stradivari, die mindestens fünfhundert Guineen wert sein mußte, für fünfundfünfzig Shilling bei einem jüdischen Pfandleiher in der Tottenham Court Road erstanden hatte. Dies brachte ihn auf Paganini, und so saßen wir eine Stunde lang bei einer Flasche Claret, und er erzählte mir eine Anekdote nach der anderen über diesen ungewöhnlichen Mann.Und in The Red-Headed League hastet der Detektiv durch die Vorbereitungen für den Fang eines Bankräubers, um rechtzeitig bei einem Konzert von Sarasate zu sein:
Hier der instruktive Vergleich eines aufmerksamen Lesers zwischen Sherlock Holmes und Austin Freemans Dr. Thorndyke — dem virtuosen Detektiv des 19. Jahrhunderts und dem wissenschaftlichen Detektiv des 20. Jahrhunderts. Beide deduzieren jeweils auf ihre Art Aussehen und Persönlichkeit des Trägers aus einem Hut: »Here's what a hat might tell...«
Der virtuoseste Krimi-Autor ist übrigens Gilbert K. Chesterton. Aber das ist etwas ganz anderes (und die Beziehung zwischen dem Virtuosen-Detektiv als literarischer Figur und dem virtuosen Autor wäre es wert, dass man ihr eine Reflexion widmet...was ich irgendwann zu tun gedenke).
allesfliesst - 5. Jul, 22:15
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