Freitag, 8. Februar 2008

Skalierungen



»[D]as Verkäufliche ist selber die von Subjektivität verwaltete Subjektivität. Der virtuose Gebrauch der ›Skala‹, der den Artisten seit dem neunzehnten Jahrhundert definiert, geht aus der eigenen Triebkraft, nicht erst durch Verrat in Journalismus, Spektakel, Kalkulation über.«
(Adorno, Minima Moralia, S. 412f.)


Die Technisierung des Handelns, die virtuose Performance voraussetzt und vorantreibt, findet ihren deutlichsten Ausdruck tatsächlich in der Skalierung. Wo jemand virtuos werden will, muss der Bereich dessen, was sich machen lässt, aufgeteilt worden sein. Virtuos-Werden nimmt eine solche Aufteilung des Machbaren, wie sie sich etwa in der technologischen Konstruktion eines Instrumentes darbietet, als Gelegenheit wahr: die Saiten, die sich über das Griffbrett einer Violine spannen, die Tasten eines Klaviers...

Das Klavier ist für das Virtuosentum in der Musik insofern ein exemplarisches und zugleich kritisches (und daher symbolisches) Instrument, als seine Mechanik der Klangerzeugung die Logik der Skalierung direkt umsetzt. Bei der Geige bleibt die Beziehung zwischen der mechanischen Aufteilung und dem Ton bzw. Klang noch disponibel. Paganini, der dafür berühmt war, Saiten reißen zu lassen und das Konzert allein auf der G-Saite zu Ende zu spielen, konnte deshalb die Behauptung von Novalis beweisen, die Aufteilung in Saiten sei »nur zur Bequemlichkeit«, es gebe eigentlich »nur eine Sayte«. Der Bau des Klaviers dagegen verknüpft mechanische Elemente und akustisches Resultat relativ fest. Es vergegenständigt die Klangerzeugung, die materielle Seite der musikalischen Performance – d.h., es funktioniert weitgehend als Apparat.

Virtuoses Spiel auf dem Klavier kommt dort zustande, wo der Musiker diese fixe Aufteilung des Instruments mit ihrer hohen Ausgangskomplexität wiederum in eine freie(re) Disponibilität überführt: wo er die lineare Ordnung der Klaviatur durch das Spiel darauf so in Bewegung versetzt, dass sich daraus andere Ordnungen zu ergeben, andere Beziehungen als das Nebeneinander schwarzer und weißer Tasten hervorzutreten scheinen (scheinen – denn was die Performance erwirkt, hält sich, gerade auch als Wirkung auf das Instrument, immer in der Schwebe zwischen Illusion und Wirklichkeit, es besteht und es beeinflusst als Schein).

Indem er neue Skalen er-findet, reorganisiert der virtuose Pianist das Klavier. Das führt – als Raffinesse – etwas von der Freiheit in den starren Mechanismus wieder ein, die der flexiblere Mechanismus gewährt hatte. Liszt orientierte sich nicht zufällig am Geigenspiel Paganinis, um eine neuartige virtuose Spielweise auf dem Klavier zu entwickeln. Die andersartige Skalierung der Violine (die größere räumliche Nähe der Töne, die Möglichkeit des Gleitens auf den Saiten, die Alternativen zur Erzeugung desselben Tons, die höhere körperliche Beweglichkeit des Instrumentalisten und die entsprechenden Chancen des ›Ausdrucks‹) bot ihm eine Herausforderung. Er versuchte, entsprechende Effekte mit der Mechanik des Klaviers zu erreichen, und diese Verbindung von Spieltechnik und Instrumententechnologie im Hinblick auf das Erzeugen eines Effektes führte zu einer performativen Neuorganisation des Klaviers, die das Spektrum dessen, was man mit diesem Instrument tun konnte, erheblich erweiterte.

Skalierung ist also im Hinblick auf Virtuosität eine Anforderung, die den Zusammenhang von Technik und Technologie betrifft: ihr Zusammenhängen im Instrument, das sowohl ein Produkt technologischer Entwicklung als auch ein Medium des Produzierens ist. Das Reorganisieren von Skalen, ja die Veränderung dessen, was wir überhaupt unter einer Skala verstehen können, gehört zu den wahrscheinlich wichtigsten und bis heute interessantesten Leistungen des Virtuosen.

Und insofern erfasst Adornos Kritik nur eine Seite der Skalierung: Zweifellos spielt die Aufteilung der musikalischen Performance in eine Skala von technischen Figuren, die der Musiker »drauf hat« und die das Publikum hören (und möglichst sehen) will, eine maßgebliche Rolle für den kommerziellen Erfolg der Virtuosen seit dem 19. Jahrhundert und damit für die Kommerzialisierung von Musik überhaupt. Doch dieselbe Reduktion ästhetischer Komplexität auf das technische Spektrum erschließt der Musik einen neuen Wirkungsbereich, ja eine neue Wirklichkeit, nämlich die eines Mediums der Organisation. Aus eben dem Grund, der sie ästhetisch diskreditiert, wird die musikalische Performance zu einem Untersuchungs- und Experimentierfeld für die Praxis des Organisierens – und die Aufführungen zu Gelegenheiten, bei denen man eine Freiheit der Praxis entdecken (oder wiederentdecken kann): eine performative Freiheit, die nichts mit der des kreativen Schöpfers gemein hat, die sich vielmehr dort äußert, wo die Performance das Werk als Material gebraucht, um ihre eigene materielle Realität, die der instrumentalen Klangerzeugung, zu reorganisieren. Was heute in der Software-Entwicklung unter der Bezeichnung »scaleability» große Aufmerksamkeit genießt, hätte man von den romantischen Virtuosen lernen können, hätte man sie weniger als (pseudo-)geniale Gefühlsproduzenten und mehr als Experimentatoren einer niemals vollends im Technologischen aufzuhebenden Technik betrachtet.

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