Donnerstag, 19. Juli 2007

Virtuoser Pop #1 - Modest Mouse

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In unserm Seminar über Virtuosität hatten wir die Studierenden aufgefordert, Beispiele von Musik(ern) mitzubringen, die sie virtuos finden. Das Material reichte sogar für zwei Sitzungen, und es gab durchaus unterschiedliche Formen von Virtuosität zu entdecken - aber es handelte sich ausschließlich um Klassik und Jazz.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, selber zumindest ein Exemplar virtuoser Popmusik mitzubringen. Doch daraus wurde nichts. Auf die Schnelle fand sich nichts. Da waren schon einige Bands, die mir unzweifelhaft virtuos erschienen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass anderen diese Virtuosität ohne weiteres als solche einleuchten würde. Ja, ich hätte für mich selber Schwierigkeiten gehabt, das Virtuose der Musik in Worte zu fassen.

Dieses Blog ist nun eine gute Gelegenheit das nachzuholen. Ich möchte in der nächsten Zeit eine Reihe von Bands und Musikern vorstellen, die ich virtuos finde. Und versuchen zu erklären warum.

tmoore

***

Was Allgemeines vorweg. Ein paar Probleme mit dem Begriff des Virtuosen im Pop liegen sicher auf der Hand:

--- Es gibt keine personelle Trennung zwischen Komponist und ausführendem Musiker wie in der klassischen Musik, aber auch kein Komponieren-im-Ausführen wie im improvisierenden Jazz.

--- Die spieltechnische Ausbildung im Pop ist bislang sehr wenig institutionalisiert (Musikschulen und -hochschulen fangen erst langsam an, Pop in ihren Ausbildungskanon zu integrieren). Entsprechend bewegt sich das technische Niveau der meisten Popmusiker auf einem Level zwischen Dilettantismus und fortgeschrittenem Dilettantismus (auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt).

--- Virtuosität gehörte eigentlich nie zur programmatischen Ästhetik irgendeiner Richtung von Pop, Rock, Punk, Wave, Disco, whatever. Selbst die sehr jazz-nahen Endlos-Gitarrensolo-Ornamente des 70er Progrock imaginierten sich selbst eher als Zwiegespräch mit irgendeinem Wesentlichen, das lange und dicht umsponnen sein wollte - nicht als Steigerung eines Könnens, als technische Brillanz. Die wichtigsten Impulse des Pop seit Ende der 70er waren sogar dezidiert anti-virtuos: der offensive Dilettantismus von Punk, das kontrollierte Programmieren von Sounds und Strukturen der Post-Kraftwerk-Ära, die stumpfen «Ritornelle» von Techno & Co. Und durch alle Neuerungen und Revolutionen hindurch hielt sich im Zentrum von Pop der wohlgestaltete 3,5-Minuten Song mit seiner herzergreifenden Einfachheit von Strophe-Refrain-Strophe-Refrain...


Andererseits sind da sehr wohl Voraussetzungen erfüllt, um von Virtuosität zu sprechen:

--- Pop funktioniert spätestens seit den 90ern als ein Feld schneller und effizienter Konventionalisierungen. Was immer Neues auftaucht, sedimentiert sich binnen kürzester Zeit als neuer Stil - und im Zusammenhang mit dieser Dynamik hat das Pop-Publikum einen äußerst feinen Sinn für kleinste Abweichungen entwickelt: Ein etwas verschleppter Beat, eine etwas trockenere Rhythmusgitarre, ein etwas korg-igerer 80s-Synthesizer reichen schon aus, um eine stilistische Differenz zu markieren. Und stilistische Differenzen haben in der Popwelt, in der Musiker, Kritiker und Hörer einander umkreisen und durchdringen, stets soziale Konsequenzen.

--- Der notorische Eklektizismus seit den 90ern hat die Musik genauso wie das Aussehen und Verhalten in eine Reihe von Figuren zerlegt. Wer Pop macht oder Pop lebt, nimmt diese Figuren sehr bewusst als solche wahr, wählt einige, vollzieht sie nach, versucht sie individuell zu pointieren und zu steigern. Man könnte Pop also duchaus als eine Sphäre virtuosen Lebens ansehen. Musik ist da eher das Struktur- und Verfahrensprinzip als der Sinn des Ganzen. Der freien Steigerung scheinen keine Grenzen gesetzt.

--- Natürlich gab es in der Geschichte des Pop immer Virtuosen-Figuren, auch wenn man sie vielleicht nicht so genannt hat (manchmal aber doch): Jimmi Hendrix, Brian Ferry, Morrisey - um nur drei ganz offensichtliche und möglichst verschiedenartige zu nennen.


Okay, kommen wir also zu...

modest-mouse

Wer was zur Bandgeschichte wissen will, kann hier nachlesen oder sich die Myspace-Seite der Band anschauen, wo es auch aktuelle Songs gibt.

Das Verfahren von MM ließe sich formelhaft so beschreiben: Sie brechen das Modell eines Indierock-Songs in Stücke. Und werfen sich dann in ihrem Bandkollektiv diese Stücke gegenseitig zu.

Dem Kollektiv, das aus 6 + x Spielern besteht, gelingt es eine zuweilen erstaunliche Zahl solcher Stücke gleichzeitig in der Luft zu halten. Das kollektive Herangehen ans Musik-Machen hat durchaus Ähnlichkeiten zur Arbeitsweise von Jazz-Ensembles: es gibt ein gewisses Maß an Improvisation während des Produktionsprozesses, und man hört die Individualität der Mitglieder, ihre etwas unterschiedlichen Vorlieben und vielleicht auch Interpretationen dessen, was sie tun, noch auf den Aufnahmen deutlich heraus. MM haben daher eigentlich keinen Bandsound (obwohl es sicher Fans und Kritiker gibt, die das anders sehen). Sie klingen nach ein paar Typen, die Zeit miteinander verbringen.

Es gibt zwei großartige, im emphatischen Sinne virtuose Momente in der Musik von MM: Erstens die kurzen Phasen, wo sich das Jonglieren mit den Bruchstücken von Indierock stark verdichtet - wo auf einmal ein Dutzend oder mehr solcher Fragmente, von großen, klotzigen Brocken bis zu winzigen Splittern, unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichem Spin durch den akustischen Raum wirbeln. Zweitens die Augenblicke, in denen eins davon runterfällt.

MM sind Virtuosen im Sinne des Könnens (und zu solchen sind sie mit den Jahren ihres Bestehens immer mehr geworden - einige Stücke des aktuellen Albums We Were Dead Before The Ship Even Sank stellen diesbezüglich einen Höhepunkt dar). Aber sie sind auch Virtuosen des Scheiterns, wenn man so will: Man hat oft den Eindruck, dass sie dieses akrobatische Spiel mit Rock eigentlich nur spielen, um zu demonstrieren, wie erleichternd es ist, wenn was schief geht. Insofern also eine sehr moderne Virtuosität.

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Songs, in denen sich die Virtuosität von Modest Mouse entdecken lässt (die mir gerade so einfallen):


Dirty Fingernails
(gibts for free auf epitonic - bitte selber suchen, lässt sich nicht direkt verlinken)

Other People's Lives
(Freier Download von hier thanx to puritan blister)

Trucker's Atlas
(gibts hier in einer Live-Version)

Karma's Payment

The View

Und hier noch ne Menge weitere freie und legale Downloads

Montag, 16. Juli 2007

meine: virtue virtuous vice vicious

im Sinne von "schlafwandlerisch fähig in Bewegung"
http://www.dailymotion.com/video/x1yahb_girl-en-mode-groovy
und ja mein Sex ist es auch, ein bisschen...

Sonntag, 15. Juli 2007

Virtuosen in 6D

Virtuose-Desktop


Um es gleich zu gestehen - ich verstehe nicht wirklich, was das auf dem Bild da oben ist.

Aber nach Lektüre der Website einer französischen Firma namens HAPTION beginne ich es zu ahnen.

Sagen wir: es handelt sich bei den Produkten der Familie "Virtuose" um etwas, was dem eigenen Handeln eine neue Dimension verleiht. Das Unternehmen spricht von einem "haptischen Interface":
Un système à retour d'effort (aussi appelé interface haptique) est un périphérique informatique qui permet à son utilisateur d'interagir avec une application logicielle ou un objet virtuel par l'intermédiaire du sens du toucher. Il se compose d'une structure mécanique articulée équipée de moteurs et de capteurs, reliés à une électronique embarquée. L'utilisateur prend en main l'extrémité de la structure, et peut la déplacer librement, à la fois dans le monde réel et dans la scène virtuelle. Lorsque sa main virtuelle entre en contact avec un objet numérique, un courant est envoyé aux moteurs, qui simulent un contact réel.
Diese Virtuosen vermitteln also zwischen der körperlichen Bewegung eines Menschen und einer virtuellen Realität. Man greift damit gewissermaßen in den Cyberpace.

Etwas irritiert hat mich der Hinweis, dass es sich beim Virtuosen-Desktop um eine Anwendung für den 6D-Bereich handelt. Was doch vermutlich "6-Dimensionalität" heißt. Wie immer die drei zusätzlichen Dimensionen zu den bekannten aussehen mögen - die technischen Spezifikationen sind folgende:
Le Virtuose 6D Desktop est composé de trois branches articulées. La structure du Virtuose 6D Desktop permet pour travailler dans un volume sphèrique d'un diamètres de 12 centimètres. La résolution en position est de 2.10-2 millimètres.

Espace de travail :
Sphére de 120 mm en translation
35° dans chaque direction au centre de la sphére
Force maximale: 7 à 10 N
Force continue: 1.4 à 3 N
Couple maximal: 0.3 à 0.5 Nm
Couple continu: 0.06 à 0.14 Nm
Raideur en translation: 2500 N/m
Raideur en rotation: 2 N.m/rad

Im Betrieb sieht das Ganze dann (auf dieser Seite der Schnittstelle) so aus:

Virtuose_6D40-40

Wer sowas für zuhause haben möchte oder tiefer in die Geheimnisse der 4. bis 6. Dimension eindringen will, lese bitte hier weiter. Allerdings nur auf Französisch. Mehrsprachigkeit gehört offenbar nicht zu den Dimensionen, die gemeint sind.

Freitag, 13. Juli 2007

Homo faber novis mobilis

"Wenn die Bahn streikt, fahre ich doch einfach mit dem Auto zur Arbeit" denkt sich der flexible Angestellt und verblüfft den Flitzer von der Überholspur mit seinen virtuosen Multitaskingfähigkeiten.Und_wer_faehrt
Schönes Wochenende!
Veronika

Plus de ping, plus de pong. Un hommage à Jacques Secrétin, virtuose de tennis de table



Mit 13 nahm mein Vater mich zu einer Show von Jacques Secrétin mit, einem ehemaligen Profi-Tischtennisspieler, der sich nach dem Gewinn des Europameistertitels und des Weltmeistertitels im Doppel darauf verlegt hatte, Tischtennis tatsächlich als Spiel zu betreiben.

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Schon während seiner Zeit als Wettkampfsportler gehörte es zu Secrétins Spezialitäten, Schmetterbälle zu retournieren: Der Gegner hämmerte den Ball mit aller Gewalt auf die Platte - Secrétin fing ihn mit seiner Kelle ab und gab ihn in einem hohen, langsamen, fast provozierend eiernden Bogen zurück, und das drei Mal, vier Mal, fünf Mal... In seiner Show steigerte er es mit seinem Partner auf dreißig Mal oder mehr.

Den Höhepunkt einer Secrétin-Show stellte aber zweifellos eine Sequenz dar, in der er während des Ballwechsels einen kleineren Tisch auf den großen stellte und darauf weiter spielte - dann einen noch kleineren - dann kleinere Schläger - schließlich, die Spieler schon auf dem Tisch sitzend, eine winzige Puppenstubenversion. (Das Video zeigt eine etwas bescheidenere Variante davon - vielleicht hat aber auch nur meine Erinnerung die Virtuosität im Nachhinein weiter gesteigert.)

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Die Übergänge zwischen Sport, Akrobatik und Ballett sind zweifellos fließend. Sie unterscheiden sich vielleicht sogar nur darin, welche Bedeutung sie dem Mehr, was die Performer zu bieten haben, jeweils geben: die einer Leistung im Sport, die einer Magie (oder Komik) in der Akrobatik, die von ästhetischer Perfektion im Ballett. Secrétin war einfach gut darin, das ein bisschen durcheinander zu bringen.

***


Mehr über Secrétain und seine Music-Ping-Show

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Donnerstag, 12. Juli 2007

Virtuoses Bloggen #1 (Der Beginn einer wiederholten Demonstration)

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Aus gegebenem Anlass habe ich mich im Netz informiert, wie man ein neues Blog bekannt macht. Neben einer Reihe eher solider und wenig überraschender Tipps (bei Blogverzeichnissen anmelden, Freunden und Bekannten davon erzählen, Kommentare auf anderen Blogs hinterlassen) gab es einen wirklich beeindruckenden, denn der ist einfach total primitiv:

Man schreibt irgendeinen nichtssagenden Beitrag über eins der derzeit populärsten Schlagwort-Themen. Den Rest erledigt Google.

Auf probloggerworld gibt es sogar eine (wenngleich schon leicht anachronistische) Liste dazu:

Die 13 Keywords - Gegenwärtig sind absolute Traffic-Bringer Postings zu folgenden Themen:

DSDS
Big Brother
Knut, der Eisbär aus dem Berliner Zoo
Nazan Eckes Scheidung
Der 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI
Hans Filbinger/ Günther Oettinger
Nichtrauchergesetz und Raucher
Ursula von der Leyen und deren Familienpolitik
Ursula von der Leyen und „Generell kein Alkohol unter 18“
Flatrate-Partys und Alkohol
Sport, etwa die Fußball-Bundesliga
Das sommerliche Wetter im April
Und schließlich der Evergreen namens Sex.


Mein Problem: Ich hatte keine Lust, einen Artikel zu irgendeinem dieser Themen zu schreiben. Ohnehin steht mir der Sinn nicht danach, mich als Journalist aufzuführen ("alle werden Journalisten" - Howard Rheingold hatte schon Recht). Ich gehöre offenbar auch nicht zu den wohlinformierten Zeitgenossen - weiß zum Beispiel weder, wer Nazan Ecke, noch, wer Hans Filbinger ist. Außerdem wäre so etwas vollkommen unvirtuos.

Das Problem, so viel immerhin wurde mir klar, ist nicht die Primitivität der Strategie. Virtuosität setzt oft, vielleicht immer, eine radikale Vereinfachung voraus. Virtuose Steigerung geht nie vom ganz Komplexen aus - sie beginnt mit etwas Einfach-Vertracktem, Raffiniertem, und steigert es dann auf ihre eigene Art.

Also: Wie ließe sich ein solcher Artikel auf virtuose Weise schreiben?

Zum Beispiel, indem man statt eines einzigen von diesen Schlagwörtern alle 13 darin unterbringt. Und sich dennoch nicht herablässt, auf irgendeines davon wirklich einzugehen.

Womit wir am Ende dieser Demonstration in ihrer ersten Wiederholung wären.

Mal sehen, ob es wirkt.

Mittwoch, 11. Juli 2007

Virtuos ist fuer mich

nicht jemand, der nur einfach eine Technik beherrscht.

Beim Spielen eines Musikinstrumentes wie zum Beispiel dem Saxophon -das ich einfach mal so auswaehle, weil ich es selber spiele- ist es nicht nur der richtige Griff der Tasten, damit sich die Klappen schliessen und ein perfekter Ton entsteht, dann eine Tonfolge, daraus ein Lied.

Es ist das Einfliessen von Herzblut, von Gefuehl, dass aus dem Spieler durch die Finger das Instrument zum Leben erweckt, es ist nicht mehr nur ein Geraet, ein mechanisches Wunderwerk, sondern der Ausdruck des Innersten dessen, der es spielt. Wer so Geschichten erzaehlen kann, wer so Menschen zu Traenen ruehrt, weil er sie an eigene Geschichten erinnert, sie mitnimmt auf seine Reise und mit dem, was er tut, sich in ihre Herzen spielt, der ist virtuos.

Wie sagte Wilhelm Busch?

Er führ" euch mit Genuß und Gunst durch alle Wunder seiner Kunst

Es ist ein Geschenk, eine Gunst, einem Virtuosen zuhoeren zu duerfen und ein Wunder, wenn man eine solche Gabe hat.

Virtuose Langeweile?

Bach-Langweilen

Steigerungsformen von Langeweile:

1. Gepflegte Langeweile

Kultivierte Form von Langeweile, die sich im Einklang mit der allgemeinen Organisation von Tätigkeiten und der Zirkulation von Interessen in einer Gesellschaft befindet. Findet an einem Ort statt, der zumeist eigens für das Nichts- oder Wenigtun eingerichtet wurde - z.B. in einem Café, auf einer Parkbank, auf dem Balkon oder in einem Sessel, wo man auch lesen könnte. Lesen gehört überhaupt zu den populärsten Techniken, um Langeweile zu pflegen: man kann wunderbar lesen und sich langweilen zugleich, während es anstrengt, sich beim Musikhören oder Anschauen eines Films zu langweilen. Selbst im Theater, wo es oft langweilig ist, wollen das Sich-Langweilen und die Wahrnehmung dessen, was auf der Bühne geschieht, in der Regel keine entspannte Gleichzeitigkeit finden. Langeweile im Theater ist daher zumeist ungepflegt.

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Näheres zur gepflegten Langeweile hier.


2. Tödliche Langeweile

Negativ gesteigerte, sich ab einem gewissen Punkt fast unumkehrbar selbst verstärkende Langeweile. Gefühl von Schwere, Leere und Sinnlosigkeit. Stellt sich ein angesichts des völligen Ausbleibens von Erregung durch Ereignisse - infolge zu großer Erwartungen (tödliche Langeweile des Pubertierenden) oder weil wirklich gar nichts passiert (tödliche Langeweile des vereinsamten Rentners). Stellt sich auch ein bei einer andauernden, ununterbrochenen Folge gleicher Ereignisse, wie extrem diese auch seien. Die Situation im Irak z.B. ist tödlich langweilig, vermutlich selbst für die Iraker.

Der Affe auf diesem Bild wurde durch tödliche Langeweile verrückt:

langeweile

Näheres dazu hier


3. Virtuose Langeweile

Nicht einfach vorzustellen, da Langeweile sehr fest mit (wohliger oder deprimierender) Schwere assoziiert ist, Virtuosität hingegen ebenso fest an Leichtigkeit geknüpft scheint.

Also zwei Möglichkeiten:

a) Eine Langeweile, die leicht wird. Und dies nicht zufällig, sondern weil man auf technisch versierte Weise damit umgeht (Virtuosität hat ja eigentlich immer mit Technik zu tun). Ich erinnere mich an den Moment, in dem ich anfing, dieses Blog einzurichten. Es war ein Zustand gepflegter Langeweile - Sonne, sonntägliche Trägheit, guter Kaffee, das Macbook auf meinem Schoß. Nachdem ich den Gedanken, ernsthaft zu arbeiten, aufgegeben hatte, den, zur Zerstreuung im Netz zu surfen, ebenso, entstand ein Schwebezustand, der mir das Gefühl gab, gleichermaßen alles wie nichts tun zu können. Dann meldete ich das Blog an, meisterte ein paar kleinere Schwierigkeiten, ohne dass die Langeweile dadurch aufhörte. Sie fing eher an...zu schwingen (oder so).

b) Eine Virtuosität des Schweren. Wer weniger erschöpft ist als ich nach dem Schreiben von Abschnitt a), möge diesen Gedanken bitte entwickeln.


Ach, ja - zwei Dinge, die laut Internet virtuos langweilig sind:

Das Bild-Blog

Sting

***

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Virtuose Zeichen: Graffiti

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Fast zu offensichtlich, dachte ich zuerst. Ist es sicher auch, aber auf einer Seite zur Virtuosität dürfen Graffiti eigentlich nicht fehlen.

Graffiti wären sicher nur eine Episode in einer Geschichte des virtuosen Schreibens. Über die Virtuosität in der Kalligrafie (der europäischen, der arabischen, der chinesischen...) wäre überhaupt viel zu sagen. Das Interessante an Graffiti ist jedoch wohl, dass sie (noch) etwas anderes sind als eine schöne, technisch bravourös geschriebene Schrift.

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An offizieller Stelle (auf der Seite des Instituts für Graffiti-Forschung) findet sich folgende Definition:
Graffiti (Einzahl Graffito): Der Begriff leitet sich etymologisch vom griechischen Wort graphein ab. Im italienischen Sprachraum entwickelte sich aus sgraffiare (= kratzen, das Gekratzte) Sgraffiti bzw. Graffiti. Beide Bezeichnungen standen synonym für eine Technik der Fassadengestaltung, einer Kratzputztechnik, bei welcher verschiedenfarbige Putzschichten aufgetragen und dann durch Wegkratzen der oberen Schicht reliefartige Motive gestaltet werden. Viele dieser Sgraffitohäuser stehen unter Denkmalschutz.

Um 1850 wurde der Begriff Graffiti von Altertumsforschern und Archäologen für inoffizielle, gekratzte Botschaften übernommen, denen sie bei ihren Ausgrabungen begegneten. Bald dominierte aber der "inoffizielle" Charakter einer Botschaft - unabhängig von der technischen Ausführung - die Begriffsbedeutung und führte zur heute üblichen Anwendung.

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Ein Problem, das die meisten (mich eingeschlossen) mit Graffiti haben, ist: man kann sie als Uneingeweihter kaum oder gar nicht lesen.

Wie lautet zum Beispiel das folgende Wort?

Virtuoso

OK, das war einfach. Aber wie steht es damit:

heisl

Zu den Merkmalen von Virtuosität gehört, dass ein Publikum die virtuose Performance nachvollziehen kann. Die Leute müssen die Schwierigkeiten kennen, um die Meisterschaft bei ihrer Bewältigung anzuerkennen. Es gibt Virtuosität fürs Massenpublikum, aber auch eine Virtuosität, die sich gezielt an Kenner wendet oder irgendwo zwischen Laie und Experte operiert.

Was die Graffiti-Praxis (selbst nachdem sie in den Galerien Einzug gehalten hat) sehr gut demonstriert, ist diese ausschließende Wirkung einer bestimmten Steigerung oder Übersteigerung. Es können sich geschlossene Gemeinschaften im Zeichen solcher (Über-)Steigerungen bilden.

Der französische Philosoph Jean Baudrillard hat in Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen diese abweisende Wirkung des Graffiti-Zeichens betont. Sein virtuoses Ornament ist keine offene, einladende Bewegung, sondern die Spur eines Mehr-Könnens, das auf seiner Differenz zu den 'normalen' Bewohnern der Städte beharrt: ein fest gezurrter virtuoser Knoten.

graffiti-gross


Das Prinzip von Graffiti ist das der ornamentalen Variation. Das Folgende ist eine entliehene «Graffiti-Taxonomie», die Variationen des Buchstabens S zeigt:

graf_tax_01

Erklärungen dazu und anderes Wissenswerte zu Piktogrammen & Co. findet sich auf diesem Blog, bei dem ich mich für Bild & Infos bedanke.

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Graffiti-Buchstabentabelle

***

Der amerikanische Bildhauer David Adickes schuf übrigens eine Skulptur mit dem Titel "The Virtuoso". Als ein Sprayer den Schnurrbart seines Musikers schwarz sprühte, posierte er als Protest gegen die Verschandelung des Werkes vor dem demselben als Groucho Marx - von dem Viele behaupten, er sei der virtuoseste Komiker aller Zeiten.

Adickes

Zur Weiterbildung:

Große Galerie mit Graffiti

Graffiti-Enzyklopädie

Stefan Meier-Schuegraf:
Graffiti als 'typografisches' Ausdrucksmittel sozialen Stils (pdf)

Auswahl-Bibliografie zur Forschungsliteratur

Ach, ja - und zum Schluss noch mein Lieblings-Graffito-Bild unter denen, die ich gefunden habe:

graffiti

Dienstag, 10. Juli 2007

Der Klassiker...

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Der Virtuose von Wilhelm Busch - nachfolgend in einer, äh...nachgespielten Version. Wer schauspielerische Virtuosität erwartet, wird dabei leider enttäuscht. Das Spiel des Pianisten hinkt dem seines gezeichneten Vorbilds auch sehr hinterher. Dafür konzentriert sich die Darstellung sehr instruktiv auf die Figur des Hörers.


was ist virtuos?

ein blog für alle, die antworten haben

Jeder kann posten!

Dieses Blog ist eine Sammelstelle für virtuose Performances. Jeder kann Beiträge posten. Schreibt, was oder wen ihr virtuos findet. Und ladet Bilder oder Videos hoch, wenn ihr mögt.

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